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LIEFERBEZIEHUNGEN IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN ROHSTOFFKNAPPHEIT UND INFLATION

Anhaltende Rohstoffknappheit und starke Preissteigerungen einhergehend mit Produktionsengpässen und Lieferschwierigkeiten stellen heute viele Unternehmen vor eine enorme Belastungsprobe.

Besonders schwierig gestaltet sich die Situation im Rahmen von laufenden Vertragsbeziehungen mit festen Preisvereinbarungen, denn bekanntlich können vertragliche Vereinbarungen nur im gegenseitigen Einvernehmen beider Parteien oder in gesetzlich zulässigen Fällen geändert oder widerrufen werden.

Die gesetzlichen Vorschriften bieten den Unternehmen in den heutigen Krisenzeiten nur wenige Lösungsansätze und insgesamt kaum Möglichkeiten, in laufenden Verträgen eine Anpassung der Vertragsbedingungen und insbesondere der Preise zu erzielen.

So gewährt das in der Praxis oft diskutierte Institut der „höheren Gewalt“ für den Fall, dass seine engen Voraussetzungen überhaupt vorliegen, dem Schuldner bestenfalls einen Anspruch auf eine zeitweise Aussetzung seiner vertraglichen Verpflichtungen. Wenn die „höhere Gewalt“ dauerhaft anhält, kann eine Auflösung des Vertrages erwirkt werden. Die gewünschte Anpassung der Vertragsbedingungen ist als Rechtsfolge aber gesetzlich nicht vorgesehen.

Eine Vertragsanpassung in laufenden Lieferbeziehungen kann auf der Basis der gesetzlichen Vorschriften allenfalls mithilfe der sog. „Imprévision“ erreicht werden, deren Grundlage in
Artikel 1195 Code Civil zu finden ist.

Diese Vorschrift regelt einen Anspruch auf Neuverhandlung des Vertrages, wenn eine Änderung von Umständen eintritt, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war und die die Erfüllung des Vertrags für eine Partei übermäßig teuer macht.

Auf den ersten Blick klingt dies erst einmal nach einer zufriedenstellenden Lösung. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass auch diese Regelung von den Wirkungen her völlig unzureichend und der Anspruch auf Neuverhandlung in der Praxis tatsächlich nur schwer durchsetzbar ist.

Das erste Problem besteht schon darin, dass die Vertragspartei, welche die Neuverhandlung auf der Grundlage von Artikel 1195 Code Civil beanspruchen möchte, beweispflichtig ist für das Vorliegen des anspruchsbegründenden unvorhersehbaren Ereignisses und für das Ungleichgewicht, welches dieses in den vertraglichen Verpflichtungen bewirkt.

Darüber hinaus ist zu bemerken, dass Artikel 1195 Code Civil hinsichtlich der Dauer der Neuverhandlungen keine zeitliche Grenze schafft.

Er regelt für den Fall, dass die Neuverhandlung vom Vertragspartner abgelehnt wird oder sie gescheitert ist, auch nur zwei mögliche Rechtsfolgen: Auflösung des Vertrages oder Anrufung des Gerichtes, mit dem Ziel der Vertragsanpassung oder -auflösung.

Für den Fall, dass im Rahmen der Neuverhandlungen, die an sich schon Monate dauern können, zwischen den Parteien hinsichtlich der Vertragsanpassung keine Einigung erzielt wird, hat das Unternehmen also die Wahl zwischen einer Auflösung des Vertrages oder einem Gerichtsverfahren (Pest oder Cholera?) und darf zu allem Übel bis zur Entscheidungsfindung den Vertrag auch noch weiter auf der Grundlage der bisherigen Vertragsbedingungen erfüllen.

Derartigen unglücklichen Situationen kann für die Zukunft abgeholfen werden, indem man beim Abschluss von neuen Verträgen schon im Rahmen der Verhandlungen auf die Aufnahme von automatischen Preisanpassungs- oder Neuverhandlungsklauseln hinwirkt.

Denn nur durch eine geschickte Vertragsgestaltung kann für die Zukunft sichergestellt werden, dass im Bedarfsfalle Preisanpassungen auch kurzfristig durchgesetzt werden
können.

Welche Art von Klausel gewählt und wie diese formuliert werden sollten, hängt jeweils vom konkreten Vertrag ab. Automatische Preisanpassungsklauseln zum Beispiel, die sich hinsichtlich eines bestimmten Preiselementes an einem Index orientieren, eignen sich eher für Produkte, deren Preis im Wesentlichen auf einem bestimmten Rohstoff beruhen oder bei denen z.B. ein oder zwei bestimmte Kostenfaktoren den Preis hauptsächlich bestimmen.

Unsere Experten auf diesem Gebiet stehen Ihnen bei diesen Fragestellungen und der Gestaltung Ihrer Verträge sehr gerne beratend zur Seite.