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WIRD DER NEUAUFBRUCH VON PRÄSIDENT MACRON GELINGEN?

Wird es Macron schaffen, in den drei verbleibenden Jahren seiner Präsidentschaft seinen Reformkurs weiter fortzusetzen? Nach seiner zweieinhalbstündigen Pressekonferenz am Dienstagabend (16. Januar 2024) ließ der brillante Redner keinen Zweifel aufkommen, alles zu tun, um dies zu erreichen.

Der Gipfelstürmer von 2017 ist trotz vieler Schwierigkeiten, die ihm seit seinem spektakulären Start als jüngster Präsident der 5. Republik ohne Parteiunterstützung in seiner bisher sechseinhalbjährigen Amtszeit willentlich oder aufgrund ihm nicht anzurechenbarer Umstände (wie: Covid, Ukraine-Krieg, etc.) widerfuhren, nicht bereit, von seinem obersten Ziel, Frankreich grundlegend zu verändern, abzuweichen.

Und dabei ist seine bisherige Bilanz überhaupt nicht negativ. Zumindest ist sie wesentlich besser als die seiner Vorgänger, unabhängig davon, ob sie dem rechten oder linken Lager angehörten. Leider wird dies nur teilweise von der öffentlichen Meinung und schon gar nicht von den Oppositionsparteien so wahrgenommen.

Die dreissigminütige Einführungsrede, die der Pressekonferenz vorausging, nutzte der Präsident, um auf seine bisher erfolgreiche Regierungsarbeit, die durchgeführten Reformen und den innerhalb der EU wiedererreichten Stellenwert überzeugend hinzuweisen. Frankreich sei wieder „gut aufgestellt“ und habe sich entsprechend „gewandelt“. Nun müsse die Zukunft so gestaltet werden, dass „unsere Kinder besser leben können als wir heute“. Frankreich müsse „stärker“ („plus fort“), aber gleichzeitig „gerechter“ („plus juste“) werden.

Ein wesentlicher Teil der Rede war auch dem Schulwesen, wo eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen angekündigt wurden, gewidmet, wie u.a. an 100 Schulen die experimentelle Einführung einer einheitlichen Kleidung, das obligatorische Erlernen der Nationalhymne in der Grundschule oder auch die Einrichtung von Theaterkursen etc. Hinsichtlich des bestehenden Dualismus von privaten und öffentlichen Schulen sagte der Präsident, dass er zum französischen Bildungssystem gehöre und sich darüber hinaus bewährt habe.

Ein weiteres, wichtiges Kapitel der Ausführungen des Präsidenten galt dem Kampf gegen den Rückgang der Geburtenrate, die laut der jüngsten Statistiken auf einen historischen Tiefstand von 1,68 Kindern pro Mutter gefallen ist. So soll der geltende Elternurlaub auf sechs Monate verkürzt, dafür aber wesentlich besser als bisher vergütet werden. Der öffentliche Dienst soll generell reformiert werden, wobei das Leistungsprinzip bei der Entlohnung gegenüber der Vergütung nach Dienstalter in Zukunft mehr in den Vordergrund gestellt wird. Und letztlich sagte der Präsident den Rechtsradikalen den Kampf an.

Die Umsetzung des breitgestreuten Maßnahmenkataloges, aber insbesondere auch der Neuaufbruch wird die Aufgabe der neuen, nunmehr vierten Regierungsmannschaft von Emmanuel Macron sein. Die Leitung der Regierung wurde Gabriel Attal, einem 34-jährigen Vollblutpolitiker, der trotz seines jugendlichen Alters – er ist der jüngste Premierminister Frankreichs, – bereits mehrere Ministerposten unter Emmanuel Macron ausübte, übertragen. Der neue Regierungschef ist ein enger Vertrauter des

Präsidenten; er begann als dessen Regierungssprecher und ist wie er ein ausgezeichneter Orator. Seine erste wichtige Mission wird es sein, eine größere Kompromissbereitschaft und breitere Verständigungsplattform mit den bestehenden Parteien, insbesondere mit den Rechtskonservativen (LR) herzustellen.

Auch der diesjährige Weltwirtschaftsgipfel in Davos, auf dem Präsident Macron seit 2018 nicht mehr erschienen war, wurde von ihm genutzt, um seine Erfolgsbilanz eindrucksvoll zu präsentieren und gleichzeitig das Comeback Frankreichs zu dokumentieren. Mit starken Worten warb der überzeugte Europäer für ein geeintes, souveränes Europa, auf dessen entschlossene Handlungsbereitschaft es mehr denn je ankomme.

Der positive, engagierte Auftritt des französischen Präsidenten erfolgte sicherlich auch im Hinblick auf die Stimmung im eigenen Land und die bevorstehenden Europawahlen.

Wird es Emmanuel Macron gelingen, einen positiven Ruck, der ganz Frankreich erfasst, zu erzeugen? Glückt ihm nochmals ein Neustart oder zumindest die teilweise Fortsetzung der noch ausstehenden Reformvorhaben?

Wahrscheinlich ist ihm dies zunächst mit der Pressekonferenz und den darin angekündigten bzw. dargelegten, sehr ins Detail gehenden Einzelmaßnahmen nicht – wie sofort durchgeführte Umfragen ergaben – gelungen. Es war aber auch vielleicht von vorneherein aussichtslos.

Zutiefst besteht die Abneigung gegenüber dem derzeitigen Präsidenten, der mit seiner intellektuellen, sehr rational ausgerichteten Vorgehensweise und einer Sprache, die für weite Kreise der Bevölkerung nur schwer zugänglich ist, es nicht schaffte, das notwenige Vertrauensverhältnis zu den Bürgern aufzubauen.

Emmanuel Macron kennt dieses Dilemma. Dies war sicherlich auch einer der Gründe, Gabriel Attal zum neuen Premierminister zu benennen. Die bisher „technische Sprache“, wie sie auch von der Vorgängerin Elisabeth Borne praktiziert wurde, soll nun durch eine viel „politischere“ Kommunikation, wie sie der junge, bewegliche Nachfolger beherrscht, ersetzt werden. Vielleicht gelingt es ihm ja, ein besseres politisches Klima zu schaffen und die bestehenden, festzementierten Fronten zu den Oppositionsparteien aufzuweichen.

Es gibt aber auch noch eine andere Herausforderung für den nicht wiederwählbaren Staatspräsidenten: Er muss mit allen Mitteln versuchen, einen Einzug von Marine Le Pen in den Elysée-Palast in 2027 zu verhindern. Eine öffentliche, klare Kampfansage erfolgte bereits an ihre Partei (RN), die die „kollektive Verarmung“ Frankreichs unterstellt und das Programm der linksextremen Parteien kopiert. Als nächste Etappe gilt es, diese bei den kommenden Europawahlen (Juni 2024), bei der sie – laut den letzten Umfragen – an der Spitze liegt, zu besiegen.

Es steht also kurz-, aber auch mittelfristig sehr viel auf dem Spiel. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die AFP sich lautstark zu ihren radikalen Zielen bekennt, haben die französischen Rechtsradikalen den leiseren Weg gewählt, oder wie es Emmanuel Macron in seiner Rede ausdrückte, „sie sagen nicht mehr Dinge, die uns schockieren, aber man weiß auch nicht mehr, was sie tatsächlich meinen“. Ein solches Verhalten könnte auf Dauer noch gefährlicher werden.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und einige Anregungen für Ihr Tagesgeschäft

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