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DIAGNOSTIC NEWS N°214

DIE REFORM DER GESETZLICHEN ARBEITSLOSENVERSICHERUNG

Staatspräsident Macron hatte für seine Amtszeit die grundlegende Reform des äußerst antiquierten, kontraproduktiven Arbeitsrechtes sowie die völlige Neugestaltung des bestehenden Rentensystems zu einer seiner obersten Prioritäten erhoben. Was für eine Mammutaufgabe hatte er sich damit auferlegt. Und rückblickend, was für einen dornenreichen Weg musste er bei der Verfolgung dieser beiden Vorhaben in den sieben Jahren seiner bisherigen Amtsperiode damit beschreiten.

Wir haben darüber schon viel berichtet. Wenn auch aufgrund der politischen Umstände und der daraus entstandenen, massiven Streikbewegungen sowie nicht enden wollenden Protestveranstaltungen teilweise große Abstriche und Zugeständnisse gemacht werden mussten, das bisher Erreichte ist unbestreitbar als ein Erfolg für ihn zu bewerten.

Die Neuregelung der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung ist ein Kernstück der oben aufgeführten Reformen. Seit 2017 wird an ihr gearbeitet, ohne dass ein Gesamtentwurf zustande kam. Nun also soll es so weit sein. Nach den Ankündigungen von Premierminister Gabriel Attal Ende Mai 2024 soll die neue Arbeitslosenversicherung auf der Grundlage eines zum 1. Juli zu veröffentlichen Dekrets am 1. Dezember 2024 in Kraft treten.

Was sehen nun die zukünftigen Bestimmungen im Wesentlichen vor? Zunächst geht es um die Verschärfung der Eintrittsbedingungen, um in den Genuss der Arbeitslosenunterstützung zu gelangen: Nach der bisherigen Regelung waren sechs Monate, in denen der Arbeitslose während der letzten 24 Monate gearbeitet haben musste, notwendig, die nunmehr auf acht Monate innerhalb der letzten 20 Monate heraufgesetzt werden. Gleichzeitig wird die Entschädigungsdauer auf 15 Monate – bisher waren es 18 Monate – verkürzt werden.

Eine weitere Reduzierung dieser Periode ist bei Vorliegen eines dynamischen Arbeitsmarktes, der durch einen signifikanten Rückgang der Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist, vorgesehen. So wird bei einem offiziellen Arbeitslosenstand von weniger als 9% der aktiven Bevölkerung die gesetzliche Entschädigungsdauer von 15 Monaten um 25% gesenkt. Bei Anstieg auf 9% und auch mehr wird diese zusätzliche Reduzierung wieder zurückgenommen. Fällt die Arbeitslosensituation sogar unter 6,5%, (was in den letzten 40 Jahren niemals erreicht wurde), so ist eine Reduzierung von 40% der gesetzlichen Basisdauer der Arbeitslosenunterstützung vorgesehen.

Auch die Arbeitgeber sollen zu der neuen Maßnahme ihren Anteil leisten. Die schon bestehende Bonus-Malus-Regelung, die vom Arbeitgeberverband stark kritisiert wird, soll erweitert werden und dazu beitragen, alle Arbeitgeber durch die Zuteilung von Boni dazu zu bewegen, längere Laufzeiten bei den Arbeitsverträgen vorzusehen. Gleichzeitig soll der Abschluss von kürzeren Verträgen durch entsprechende Mali belastet werden. Momentan besteht die Bonus-Malus-Regelung nur für sieben ausgewählte Industriesektoren. Darüber hinaus soll die bereits existierende Sonderabgabe in Höhe von 0,05% des Arbeitslohns, die zur Finanzierung des Defizits bei der Arbeitslosenversicherung vom Arbeitgeber zusätzlich zu tragen ist, trotz Wegfall dieser Notlage weiterhin bestehen bleiben.

Die Regierung verfolgt mit der vorliegenden Reform mehrere Ziele. Zunächst gilt es, die bestehenden Unterschiede zu den anderen EU-Mitgliedsstaaten zu verringern. So muss im Vergleich in Deutschland der Arbeitslose, um die Arbeitslosenunterstützung erhalten zu können, mindestens 12 Monate während der letzten 30 Monate in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben. In Belgien liegt die Messlatte mit 16 Monaten während einer Periode von 33 Monaten nochmals höher.

Des Weiteren ist die Exekutive davon überzeugt, dass mit den neuen Maßnahmen ein zusätzlicher Anstoß bzw. eine stärkere Motivation beim Arbeitslosen erreicht wird, um effizienter nach einem neuen Arbeitsverhältnis zu suchen. Und dies ganz besonders, wenn weiterhin ein genereller Arbeitskräftemangel besteht. Nach den vorliegenden Berechnungen sollen mit den neuen Bestimmungen 90.000 Neueinstellungen jährlich erreicht werden können.

Und letztlich verspricht sich die Regierung einen nicht unerheblichen Beitrag zur Reduzierung des Haushaltsdefizits, der sich nach Schätzungen auf mindestens 3,6 Mrd. € jährlich belaufen könnte. Ministerpräsident Attal verneint zwar vehement, dass es sich um eine Reform aus wirtschaftlichen Gründen handelt, was jedoch in Anbetracht der prekären Haushaltslage und der fieberhaften Suche nach Ausgabereduzierungen nicht sehr glaubwürdig erscheint.

Erstaunlich hingegen ist, dass eine Verschärfung der Entschädigungsbedingungen für die Arbeitslosen von der französischen Bevölkerung als populär erachtet wird. Eine von Odoxa-Backbone Consulting im April 2024 durchgeführte Umfrage ergab, dass 54% der Bevölkerung eine entsprechende Regelung begrüßen. Diese positive Meinung steigt sogar auf 83% bei den Anhängern der Renaissance-Partei (Macron) und auf 73% bei den Mitgliedern der LR-Partei (vormals Gaullisten) an.

Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, warum die Regierung dieses für sie so günstig beurteilte Reformvorhaben noch vor den Europawahlen, bei der die RN-Partei (vormals Le Pen) derzeit mit mehr als 30% führt, so stark in den Vordergrund stellt. Es bleibt zu hoffen, dass die noch stattfindenden öffentlichen Diskussionen zu dem Vorhaben – eine parlamentarische Debatte ist ausgeschlossen – und die verneinende Position der Gewerkschaften, mit deren Zustimmung sowieso nicht zu rechnen ist, keine Umkehr in der Bevölkerung bewirken.

Präsident Macron hätte endlich mal wieder einen äußerst wichtigen Etappensieg zu verzeichnen.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.

 

 

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