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DIAGNOSTIC NEWS N°212

Die Europawahlen – eine zu befürchtende Sanktion für den französischen Staatspräsidenten. Lange Zeit wurde den Europawahlen in Frankreich nicht die ihnen gebührende Rolle eingeräumt. Selbst der überzeugte Europäer, Emmanuel Macron, war nicht in der Lage, die hierzu fehlende Begeisterung zu erzeugen.

Der bisher geführte Wahlkampf zeigte dann auch bereits seine negativen Auswirkungen. Die Oppositionsparteien, bzw. ihre Kandidaten, haben sich weitgehend von dem eigentlichen Thema Europa entfernt. Die öffentliche Bekundung der Wähler und die hieraus resultierende Möglichkeit, ein messbares Ergebnis erzeugen zu können, werden dazu benutzt, ein Urteil über die Politik des Staatspräsidenten abzugeben. In Anbetracht der weiterhin starken Unpopularität von Emmanuel Macron kommen die Europawahlen für ihn zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Dies zeigt sich besonders deutlich durch den im Augenblick weit vorne liegenden Spitzenreiter, den Kandidaten der Le-Pen-Partei (RN). Nach den vorliegenden Umfragen kommt die RN, seit Wochen relativ stabil, auf einen Stimmanteil von 30%. Der Vertreter der Regierungspartei (Renaissance) liegt weit abgeschlagen bei 19% auf dem zweiten Platz. Es ist zu befürchten, dass sich an dieser Situation, – es sind nur noch etwas weniger als sechs Wochen bis zum Wahltag – nichts Wesentliches ändern wird. Dabei wird auch die Anwendung des Verhältniswahlsystems, im Gegensatz zu dem ansonsten geltenden Mehrheitssystems für die RN-Partei sehr hilfreich sein.

Es wäre ein Hohn, wenn die Partei, die lange Zeit den Austritt aus der EU als einen wichtigen Punkt ihres Wahlprogramms ankündigte, mit großer Wahrscheinlichkeit als Hauptvertreter von Frankreich in das Europaparlament einziehen würde.

Unabhängig von dem Wahlausgang hat es die RN-Partei bereits heute geschafft, sich von dem Makel, als eine rechtsradikale Vereinigung eingestuft zu werden, zu befreien. Sie ist damit für viele bisher nicht erreichbare Schichten wählbar geworden. Um dieses Ergebnis zu erreichen, musste sie weder auf ihre weiterhin bestehenden schockierenden Ziele und Wertvorstellungen offiziell verzichten, noch konkrete Verbesserungsvorschläge und Lösungen anbieten.

Ein Wahlergebnis am 9. Juni 2024 in der oben bezifferten Größenordnung würde von der RN als Etappensieg für die in 2027 stattfindenden Präsidentschaftswahlen betrachtet und mit großer Wahrscheinlichkeit zur dritten Kandidatur von Marine Le Pen für das höchste Staatsamt führen.

Emmanuel Macron hat nun schließlich Ende April seine bereits vor längerer Zeit angekündigte Rede zu Europa gehalten. Die Ansprache, die in der geschichtsträchtigen Pariser Universität Sorbonne stattfand, war eine Wiederaufnahme seiner vor derselben Bühne bereits in 2017 dargelegten Vision zu Europa. Die Aktion des Präsidenten war nicht unproblematisch, denn sie durfte nicht als Wahlrede und Unterstützung des abgeschlagenen Kandidaten der Regierungspartei angesehen werden. Darüber hinaus kam sie sehr spät, wenn nicht zu spät, um die Wählerschaft wachzurütteln und die Bedeutung der Europawahl (sowie der damit verbundenen Herausforderungen) herauszustellen.

Es war wieder einmal einer der großen Auftritte des brillanten Redners Emmanuel Macron, in der er aus seiner Sicht, die sich aufdrängenden Maßnahmen, um einen weiteren Niedergang von Europa aufzuhalten, darlegte. Jedoch bestehen für einige seiner Vorschläge große Uneinigkeit und andere Vorstellungen unter den Mitgliedstaaten der EU. Auch scheint die Unterstützung im eigenen Land fraglich.

So stellt das Meinungsforschungsinstitut ODOXA-Backbone fest: Die Rede wurde von 67% aller Franzosen überhaupt nicht angehört, und die Mehrzahl der Zuhörer war von den Ausführungen nicht begeistert.

Noch handelt es sich nur um Umfragen, und noch bestehen zeitlich Chancen, das Blatt zu wenden oder zumindest noch einige Verbesserungen zu erreichen.

Wir werden Sie über den weiteren Verlauf des Wahlkampfes und die Entwicklung in Frankreich unterrichten.

Eine interessante Lektüre und einige Anregungen für Ihr Tagesgeschäft wünscht Ihnen

Ihre DiagnosticNews-Redaktion

 

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