x Nah dran
 Zurück

Diagnostic News N°211

Auch Frankreich kann sich der europaweit herrschenden Wirtschafts- und Wachstumsschwäche nicht entziehen. Das ehrgeizige und von Deutschland so beneidete Wachstumsziel von +1,4% für 2024 ist nicht mehr haltbar und wurde von Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zwischenzeitlich auf 1% zurückgefahren. Kritiker, so auch die Banque de France, hatten bereits bei seiner Ankündigung ihre Zweifel daran geäußert, die leider auch hinsichtlich der neuen Zielgröße existieren.

Die Revision des zu erwartenden Wirtschaftswachstums für 2024 hat, wenn auch die prozentuale Veränderung auf den ersten Blick gering erscheinen mag, nicht unerhebliche Auswirkungen auf das verabschiedete Budget 2024, das bereits mit der heißen Nadel geschnürt wurde und für das in der Zwischenzeit Einsparungen in der Größenordnung von 10 Mrd. € angekündigt wurden.

Daraus ergibt sich die folgenschwere Frage, ob unter diesen neuen Voraussetzungen die für Ende 2024 angekündigte Rückführung des Haushaltsdefizits auf -4,4% noch zu erreichen ist. Anzumerken hierzu ist, dass die Haushaltsunterdeckung in 2023 auf vorläufige -4,9% (die offizielle Zahl steht noch aus) anstieg. Im Rahmen des Fünfjahresplans der Regierung, der auch der Kommission in Brüssel zu melden war, ist vorgesehen, Ende 2027 wieder das Maastricht-Kriterium von -3% zu erreichen.

Der stotternde Wachstumsmotor rückt nun für Frankreich die seit Jahren bestehende Problematik seiner hohen Staatsverschuldung wiederum in den Vordergrund. Neben den fehlenden Einnahmen, mangels einer Erhöhung des BIPs, kommt nun noch erschwerend die weiter anhaltende Hochzinspolitik hinzu. Vorbei sind die Jahre, in denen durch die negativen Zinsen eine Neuverschuldung ohne „zusätzliche Belastung“ erfolgen konnte. Eine Hochrechnung für den Schuldendienst ergibt für 2027 eine jährliche Zinsbelastung von 80 Mrd. €. Sollte bei der nächsten Bewertung durch die Rating Agentur Moody‘s & Fitch, die nebenbei Ende April ansteht, Frankreich in seiner Verschuldungskapazität herabgestuft werden, so könnte der Betrag noch bis auf 100 Mrd. € ansteigen.

Die wichtige Zielvorgabe, das hohe Budgetdefizit in 2024 zurückzufahren, muss trotz der sich verschlechterten Wirtschaftslage unbedingt eingehalten werden. Dazu sind sicherlich, da auf der Einnahmenseite die prognostizierten Zuwächse ausfallen und Steuererhöhungen bisher kategorisch abgelehnt werden, noch zusätzliche drastische Einschnitte auf der Ausgabenseite, die über den obengenannten Betrag hinausgehen, notwendig.

In Anbetracht der derzeitigen politischen Lage ist dies keine leichte Aufgabe. Die im Augenblick weiterandauernde Protestbewegung der Bauern und die bisher schon gemachten Zugeständnisse (ca. 400 Mio. €) geben einen kleinen Vorgeschmack der zu erwartenden Schwierigkeiten.

Ein Nachtragshaushalt, um dieser veränderten Sachlage und der sich daraus ergebenden Konsequenzen Rechnung zu tragen, drängt sich auf. Eine sofortige Umsetzung dürfte jedoch – gerade einmal zwei Monate nach der Verabschiedung des Budgets2024 – für den neu bestellten Regierungschef Attal inakzeptable erscheinen. Zu groß ist das Risiko, keine parlamentarische Mehrheit hierfür zu finden und wiederum den unpopulären Artikel 49.3 der Verfassung der keiner Zustimmung des Parlaments bedarf, heranziehen zu müssen. Eine Maßnahme, deren negative politische Auswirkungen vor den im Juni 2024 stattfindenden Europawahlen wahrscheinlich nicht in Kauf genommen werden möchten.

Die französische Regierung wurde mit einem Schlag wieder an die trivialen Regeln wirtschaftlichen Handelns und seine Folgen bei Nichteinhaltung erinnert. In der Rede von Emmanuel Macron am 16. Januar 2024, über die wir in unserer letzten DiagnosticNews-Ausgabe ausführlich berichteten, wurde dieser wichtige Teil bei seiner positiven Bestandsaufnahme völlig ausgespart.

Nun aber besteht dringender Handlungsbedarf. Zu oft wurde in der Vergangenheit auf diese Schwachstelle von Frankreich hingewiesen. Präsident Macron hat zweifellos wichtige Reformen für sein Land umgesetzt, die Sanierung des Staatshaushaltes und die Zurückführung der hohen Verschuldung, beide hat er von seinen Vorgängern übernommen, standen aber leider nicht – aus vielen Gründen und aufgrund besonderer Umstände (z.B. Covid 19) – an oberster Stelle. Der von ihm geprägte Ausspruch „koste es, was es wolle“, der viele seiner Handlungen legitimierte und sicherlich auch viele spezifische Gefahren abwendete, führte zu einer Mehrverschuldung in seiner Präsidentschaft von 750 Mrd. €. Die Erwartung, dies mit hohen Wachstumsraten ausgleichen zu können, hat sich nicht erfüllt und wurde durch das zwischenzeitlich eingetretene hohe Zinsniveau noch zusätzlich belastet. Frankreich ist dadurch sehr anfällig und in seinem Handlungsspielraum erheblich eingeengt worden.

Noch ist es Zeit, dies zu ändern, bzw. die Prioritäten entsprechend festzulegen und einzuhalten. Sicherlich ein – auch in Anbetracht des derzeitig bestehenden geopolitischen Umfeldes und der sich daraus zusätzlich ergebenden Verpflichtungen – schwieriger Zeitpunkt.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre

Ihre DiagnosticNews-Redaktion

 

Kontaktieren Sie unser Team