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Rückblick auf das tumultreiche Jahr 2023

Fangen wir mit der geopolitischen Lage, deren aktuelle vorrangige Bedeutung sich aufdrängt, an. Leider hat sie sich gegenüber dem Vorjahr in keiner Weise verbessert, im Gegenteil, sie ist komplizierter, gefährlicher und aussichtsloser geworden.

Der grausame Ukraine-Krieg hat uns weiterhin im Griff und wird sich sicher – wie es heute aussieht – auch in 2024 weiter fortsetzen. Die internationale, insbesondere europäische Unterstützung sowohl von der materiellen als auch von der moralischen Seite scheint im Moment nicht mehr absolut sichergestellt. Dies könnte katastrophal für die Ukraine, aber auch Europa werden.

Eine neue, völlig unerwartete kriegerische Auseinandersetzung zwischen Israel und der brutalen Terrororganisation Hamas hält uns ebenso völlig außer Atem. Weder die sich aufdrängende schnelle Beendigung dieses grausamen Vernichtungskampfes noch eine lebensfähige Lösung für den zugrundeliegenden Konflikt sind in Sicht. Die Konsequenzen, die sich hieraus ergeben könnten, sind weder für die Region noch für die weltpolitische Konstellation – insbesondere auch nicht für Europa – vorhersehbar.

Gehen wir auf die Lage in Frankreich über.

Innenpolitisch war es für Präsident Macron ein äußerst schwieriges Jahr. Die fehlende absolute Mehrheit im Parlament – ein Arrangement mit der traditionellen bürgerlichen Rechtsparteil („Les Républicains“ – „LR“) kam nicht zustande – veränderte in 2023 die bisherige Art der Regierungsführung. Dies zeigte sich ganz deutlich bei der definitiven Umsetzung der Rentenreform, die auf einen totalen Widerstand sowohl in der Nationalversammlung als auch bei den Gewerkschaften stieß. Die Regierung blieb, trotz heftiger Streikbewegungen und Massendemonstrationen, hart. Das neue Rentengesetzt, wodurch das gesetzliche Renteneintrittsalter generell auf 64 Jahre heraufgesetzt wurde, konnte aber nur unter Zuhilfenahme des verhassten Artikels 49.3, d.h. ohne parlamentarische Abstimmung, verabschiedet werden. Der Gebrauch dieses unpopulären und als „undemokratisch“ angesehenen Artikels als auch die Art und Weise, wie die so bitter notwendig gewordene Rentenreform von der Regierung „durchgeboxt“ wurde, belastet die weiteren wichtigen Gesetzesvorhaben, aber insbesondere das Image des Staatspräsidenten. So wurde u.a. die Inangriffnahme des umstrittenen Immigrationsgesetzes mehrmals verschoben, um endlich zum Jahresende dem Parlament vorgelegt werden zu können. Wahrscheinlich wird auch hier der Art. 49.3 zum Zuge kommen.

Die gleichen Schwierigkeiten ergaben sich auch bei der Verabschiedung verschiedener Teilbereiche des Haushaltsgesetzes 2024, die ebenfalls nur unter Rückgriff auf Art. 49.3 gesetzlich verbindlich werden konnte. Insgesamt war die Premierministerin Elisabeth Borne in 2023 mehr als zwanzigmal gezwungen, zu der oben zitierten Notlösung zu greifen, wodurch die Gesetzgebungskompetenz des Parlaments de facto in Frage gestellt wird.

Hinzu kam, dass diese Instanz zeitweilig zum Austragungsort von tumultartigen, aggressiven und die parlamentarischen Grundregeln völlig missachtenden Ausschreitungen wurde. Der Höhepunkt der politischen Unruhe wurde erreicht, als ein flüchtender jugendlicher Verkehrssünder unabsichtlich durch den Schuss eines Polizisten getötet wurde. Der Ausbruch von gefährlichen Krawallen und bedrohlichen Demonstrationen gegen die Staatsgewalt waren die Folge.

Für Präsident Macron bestand, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen und die Entstehung eines Gelbwesten-ähnlichen Klimas im Keim zu ersticken, dringender Handlungsbedarf.

Dabei sollte eine von ihm neu eingerichtete, vertrauliche Gesprächsrunde zwischen den Chefs der im Parlament und im Senat vertretenen Parteien helfen. Wenn der erste Gedankenaustausch dieser Art, der am 30. August 2023 während einer 13-stündigen Sitzung stattfand, von den Teilnehmern noch überwiegend als positiv betrachtet wurde, so konnte eine Wiederholung am 15. November bei Weitem nicht den gewünschten Erfolg verbuchen.

Zwar glätteten sich die Wogen etwas, aber die politisch angeheizte Stimmung dauert fort und die Popularitätsquote des Präsidenten bleibt weiterhin auf einem niedrigen Stand. Nach einer im November durchgeführten Umfrage haben 67% der befragten Franzosen kein Vertrauen mehr in Emmanuel Macron.

Im Gegensatz zu der innenpolitisch angespannten Lage in 2023 stellt sich das wirtschaftliche Bild Frankreichs Ende des Jahres in einem anderen Lichte dar: So konnte es seine in 2022 erreichte Spitzenposition als attraktivster Investitionsstandort mit 1.259 Projekten in Europa erfolgreich verteidigen, laut den Ankündigungen von Präsident Macron auf dem Gipfel „Choose France“ im Schloss von Versailles.

Nach dem bisherigen Kenntnisstand (Anfang Dezember 2023) konnte Frankreich seine wirtschaftlich geplanten Ziele für 2023 trotz einer rückläufigen Entwicklung vieler Länder innerhalb der EU, insbesondere der von Deutschland, weitgehend erreichen. Das Anfang des Jahres angekündigte Wirtschaftswachstum von 1% wurde erfüllt. Das Haushaltsdefizit wurde plangemäß eingehalten, auch wenn es mit 4,9% viel zu hoch ist.

Trotz des gigantischen Schuldenberges von ca. 110% des BIP in 2023, der in Anbetracht der starken Unterstützungspolitik der Regierung nur schwer gesenkt werden konnte und damit weiterhin die Achillesferse der französischen Volkswirtschaft darstellt, wurde die Kreditwürdigkeit Frankreichs durch die großen Rating-Agenturen, letztmalig nochmals am 1. Dezember durch Standard & Poor‘s (S&P), die größte Institution dieser Art, nicht heruntergestuft. Frankreich behält seine AA-Bewertung. Eine indirekte Anerkennung der Glaubwürdigkeit der für den Abbau dieser Situation vorgelegten Wirtschaftspläne.

Eine kleine Enttäuschung ist auf dem Arbeitsmarkt festzustellen, wo die bisher so erfolgreiche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Oktober 2023 zu einem vorläufigen Stillstand kam. Für französische Verhältnisse ist eine Arbeitslosenrate von ca. 7,2% zwar ein historischer Erfolg, könnte aber das ehrgeizige Ziel von Präsident Macron, eine Vollbeschäftigung (5%) am Ende seiner Amtszeit (2027) zu erreichen, gefährden.

Alles in Allem befindet sich die französische Wirtschaftslage Ende 2023 bei einer relativ hohen Plansicherheit unter guter Kontrolle.

Wir wünschen Ihnen nunmehr eine besinnliche Adventszeit und frohe Festtage.

Ihre DiagnosticNews-Redaktion

Dr. Kurt Schlotthauer

 

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