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DIAGNOSTIC NEWS N°203

Frankreich – Weiterhin ein attraktiver Investitionsstandort für ausländische Unternehmen Auch in 2022 konnte Frankreich – wie in den drei vorausgegangenen Jahren - seine Spitzenposition als attraktivster Investitionsstandort in Europa erfolgreich verteidigen. Mit 1.259 Projekten liegt es vor Großbritannien, das seinen 2. Platz halten konnte, gefolgt von Deutschland.

Für Präsident Macron kam die Erfolgsmeldung zum richtigen Zeitpunkt. Am 15. Mai 2023 empfing er – nunmehr zum sechsten Mal – ca. 200 ausländische Unternehmenschefs von großen internationalen Gruppen zu dem traditionellen Gipfel „Choose France“ im Schloss von Versailles. Als Ergebnis dieses hochkarätigen Treffens konnten 28 Investitionsvorhaben mit einem Volumen von 13 Mrd. €, die zur Schaffung von ca. 8.000 Arbeitsplätzen führen sollen, angekündigt werden.

Diese Anerkennung durch die ausländische Unternehmerwelt lässt Frankreich in einem völlig anderen Licht erscheinen als es die tagtäglichen Meldungen der Tageszeitungen über die nicht enden wollenden Sozialkonflikte mit den Gewerkschaften hervorrufen.

Die französische Regierung unter Präsident Macron hat unter großen Anstrengungen hierzu erheblich beigetragen. Das völlig rigide Arbeitsrecht, das Entlassungen aus wirtschaftlichen Gründen äußerst erschwerte, sehr kostspielig und teilweise sogar unmöglich machte, wurde vollkommen reformiert. Die Unsicherheiten, die bei den zu zahlenden Entlassungsentschädigungen bestanden und in jedem Einzelfall im Ermessen des angerufenen Arbeitsgerichtes lagen, wurden durch verbindliche Abfindungstabellen ersetzt. Der in der Vergangenheit bestehende übertriebene Arbeitnehmerschutz erwies sich als kontraproduktiv und erleichterte den Unternehmen nicht gerade ihre Entscheidungen bei der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.

Das neue modifizierte Arbeitsrecht hat erheblich zu einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt beigetragen. Der starke Rückgang der Arbeitslosen auf 7,1% der aktiven Bevölkerung ist hierfür ein sichtbares Zeichen. Erstmalig wurde der Stand von 1982 wieder erreicht! Welch ein langer, durch die von Präsident Mitterrand initiierten „sozialistischen Reformen“ erzeugter Hindernisweg musste hierzu zurückgelegt werden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die in 1982 erfolgte Rücknahme des damals bestehenden Renteneintrittsalters von 65 Jahre auf 60 etwa 40 Jahre benötigte, um wieder auf den beinahe alten Stand (64) gebracht zu werden.

Sicherlich unterstützen auch die großen steuerlichen Erleichterungen, die zugunsten der Unternehmen zwischenzeitlich erfolgten, die Attraktivität des französischen Industriestandortes. Zum einen ist hierzu die sukzessive Herabsetzung des Körperschaftsteuersatzes auf nunmehr 25% zu erwähnen, und zum anderen die Reform der Produktionsteuer, die zu einer Entlastung von 8 Mrd. € bei den Unternehmen führen soll.

Präsident Macron hat der „Reindustrialisierung“ von Frankreich höchste Priorität eingeräumt. Der in den letzten Jahrzehnten systematisch zurückgegangene Anteil der Industrie an der Wirtschaftsleistung des Landes, der auch unter anderem maßgeblich für die hohe Arbeitslosigkeit war, soll wieder zurückgewonnen werden. Für dieses Großprojekt sollen bis 2030 20 Mrd. € steuerliche Unterstützungsmaßnahmen in Form von Steuerkrediten in Höhe von 20% bis 45% auf die in umweltschonende Industrievorhaben getätigte Investition bereitgestellt werden.

Die beiden oben erwähnten Erfolgsmeldungen und insbesondere auch die Tatsache, dass für 2023 weiterhin das ausländische Interesse an zu tätigenden Investitionen anhält, kommen für die großen staatlichen Industriepläne wie gerufen. Gleichzeitig lenken sie auch von den sozialen Streitigkeiten mit den Gewerkschaften und den dabei hervorgerufenen Imageschäden für Frankreich ab.

Frankreich hat aber noch andere Prioritäten, die nun angegangen werden müssen. Dabei steht der Abbau des Schuldenberges und die Reduzierung des Haushaltsdefizits mal wieder in der vordersten Reihe: Die zu diesem Zweck an die Kommission in Brüssel verschickten Planzahlen sehen für 2027 – zum Ende der Präsidentschaft von Emmanuel Macron – vor, das Haushaltsdefizit unter das Maastricht-Kriterium von 3% des BIPs (genauer 2,7%) und die Verschuldung auf 108,3% des BIPs, gegenüber dem heutigen Stand von 111,6% zurückzuführen. Hinsichtlich der Verschuldung eine Herkulesaufgabe, wobei eine Erreichung der theoretisch noch geltenden Maastricht-Klausel von 60% des BIPs überhaupt nicht mehr erörtert, bzw. anvisiert wird.

Die obigen Ziele werden aus heutiger Sicht leider wie auch in der Vergangenheit nur schwierig zu erreichen sein. Dies war auch der Grund für die Herabstufung der französischen Kreditfähigkeit durch die Agentur Fitch vor einigen Wochen. Es bleibt abzuwarten, wie die für Anfang Juni 2023 angekündigte Bewertung der wesentlich wichtigeren Agentur Standard & Poor‘s ausfallen wird.

Eine wesentliche Voraussetzung für die französische Entschuldung ist die Sicherstellung eines ausreichenden Wachstums. Die Zahlen der Regierung sehen für 2023 1% und für 2024 1,6% des BIPs vor. Beide Planzahlen werden sowohl von dem hohen Rat für die öffentlichen Finanzen als auch von der Banque de France als zu optimistisch erachtet. Die Exekutive geht in ihrer Vorausschau für den Abbau des Schuldenberges von einem substanziellen Rückgang der öffentlichen Ausgabenquote, von derzeitig 57,5% des BIPs auf 53,5% in 2027, aus. Unter Abzug der Inflationsauswirkungen würde dies in konstanten Zahlen sogar einen absoluten Rückgang der Ausgaben notwendig machen. Eine äußerst schwierige Aufgabe, wobei gewisse Ausgaben überhaupt nicht reduzierbar sind und andere sogar mit Sicherheit ansteigen werden, wie z.B. der Schuldendienst aufgrund des sprunghaften Anstiegs der Zinssätze. Nach Angaben des französischen Rechnungshofes wird dieser Posten sich um 8 Mrd. € jährlich bis 2027 erhöhen.

Eine Lösung dieses Dilemmas ist auch von der Einnahmeseite (Steuern und Abgaben) kaum zu erwarten, nachdem von der Regierung kategorisch jegliche Erhöhung ausgeschlossen wurde.

Hingegen erhofft sich die Exekutive durch massive Verschärfungen bei den staatlichen Steuerprüfungen einen signifikanten Mehrbeitrag. Hierzu sind auch die finanziellen Haushaltsentlastungen, die durch die gerade beschlossene Heraufsetzung des Rentenalters eintreten sollen, zu rechnen.

Die Zeiten der beinahe unbegrenzten Ausgaben und Unterstützungspolitik („koste es, was es wolle“) sind endgültig zu Ende. Sie haben der französischen Wirtschaft geholfen, ohne größere Schäden durch die Covid-Krise zu kommen und die privaten Haushalte von einer außergewöhnlich hohen Inflationsrate, die in den meisten europäischen Ländern erreicht wurde, verschont.

Die nunmehr dringend notwendige Sparpolitik wird sowohl bei den erzürnten Gewerkschaften, die ihre Niederlage bei der Rentenreform nicht hinnehmen wollen, als auch bei der radikal kompromisslosen Parlamentsopposition, wobei von der derzeit führerlosen, zerstrittenen LR-Partei auch nur wenig Unterstützung zu erwarten ist, auf großen Widerstand stoßen.

Aber auch hier muss die Regierung hart bleiben.

Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre.

Ihre DiagnosticNews-Redaktion

 

 

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