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DIAGNOSTIC NEWS 204

Das französische Unternehmensergebnis soll noch gerechter aufgeteilt werden Das Gesetz vom 29. Juni 2023 leistet dazu einen Beitrag Das neue Rentengesetz ist definitiv verabschiedet. Die heftigen, endlosen Diskussionen und Attacken gegen diese Reform dürften damit der Vergangenheit angehören. Ab dem 1. September 2023 wird es angewandt, und es gilt damit generell das Erreichen des 64. Lebensjahr als Rentenbeginn.

Die Regierung möchte nun so schnell wie möglich einen konfliktloseren und positiveren Austausch mit den Arbeitnehmern führen. Die in Frankreich altbekannte und in vielen Unternehmen seit Jahren erfolgreich praktizierte „Arbeitnehmerbeteiligung am Unternehmensergebnis“ soll noch erheblich erweitert und der „Sozialdialog“ zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft weiter verbessert werden. Bevor wir in das am 29. Juni 2023 vom Parlament verabschiedete Gesetz einsteigen, möchten wir zunächst einige Ausführungen zu den vorhandenen Instrumentarien geben.

Bereits unter der Präsidentschaft von General de Gaulle wurde Ende der 60iger Jahre eine gesetzlich verpflichtende Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmensergebnis („participation“) eingeführt. Danach müssen alle Gesellschaften mit mindestens 50 Mitarbeitern nach einer vorgeschriebenen Formel einen Teil ihres steuerlichen Gewinns an die Arbeitnehmer abführen. Die ausgeschütteten Beträge, die zunächst fünf Jahre, während der sie verzinst werden, dem Unternehmen weiterhin zur Verfügung stehen, können danach vom Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei vereinnahmt werden. In besonders rentablen Betrieben erreicht die „Participation“ bis zu zwei Monatsgehälter. Dieses Modell hat in den beinahe 60 Jahren seit seiner Einführung einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Einkünfte der Arbeitnehmer, aber auch zu deren Treue zu ihrem Arbeitgeber geleistet.

Neben der gesetzlich obligatorischen „Participation“ steht den Unternehmen seit vielen Jahren noch eine fakultative Gewinnbeteiligung, das „Intéressement“, zur Verfügung. Dieses „Intéressement“ kann mit der Belegschaft für die Dauer von ein bis drei Jahren, die verlängert werden kann, abgeschlossen werden. Da es sich um kein Arbeitsentgelt handelt, sind die Auszahlungen sozialversicherungsfrei, müssen jedoch beim Empfänger versteuert werden. Eine Mindestbeschäftigungszahl bei der gewährenden Gesellschaft ist nicht erforderlich. Das „Intéressement“ kann neben der obligatorischen „Participation“ zusätzlich gegeben werden.

Des Weiteren ist auf die durch das Gesetz vom 16. August 2022 eingeführte Prämie, die zur Abstützung der Kaufkraft des Arbeitnehmers beitragen soll, hinzuweisen. Auch hier ist zu beachten, dass die Prämie unter keinen Umständen als Bestandteil der Arbeitsvergütung behandelt werden darf. Die Gewährung erfolgt auf freiwilliger Basis und liegt der Höhe nach im Ermessen des Arbeitgebers. Die ausgezahlten Beträge sind bis zu 3.000 € bei einem Arbeitnehmer, der maximal den dreifachen Mindestlohn („SMIC“) als Entlohnung bezieht, sowohl von der Sozialversicherung als auch der Einkommensteuer befreit. Die Prämie kann sogar auf 6.000 € erhöht werden, soweit von dem Unternehmen ein „Intéressementabkommen“ abgeschlossen wird. Die obige Bestimmung betrifft die Jahre 2022 (ab dem 1. Juli) und 2023. Auch in den Folgejahren kann sie weiter gewährt werden, wobei jedoch die Steuerbefreiung beim Empfänger entfällt.

Aufgrund dieses weitreichenden Maßnahmenkatalogs rangiert Frankreich bei der Aufteilung des Unternehmensgewinns an die Arbeitnehmer auf Platz 2 in Europa. In 2020 betrug der hieraus im Durchschnitt an jeden Mitarbeiter eines Betriebes mit mindestens zehn Personen ausgezahlte Betrag 2.440 € bzw. erreichte eine Gesamtsumme von 18,6 Mrd. €. Diese Tendenz verstärkte sich noch durch die in 2022 eingeführte „Kaufkraftprämie, von der in 2022 5,5 Mio. Beschäftigte mit einer Gesamtsumme von 4,4 Mrd. € profitierten.

Das gerade verabschiedete Gesetz möchte diese Entwicklung fortsetzen, den Sozialdialog bestärken und ermutigen, um eine noch gerechtere Aufteilung der Unternehmensgewinne innerhalb der Gesellschaft zu erreichen. Der Gesetzestext ist das Ergebnis einer im Februar 2023 abgeschlossenen interprofessionellen Vereinbarung zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitnehmerverbänden.

Das Gesetz sieht zunächst vor, dass dann auch für Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten, die bisher nicht der Verpflichtung einer gesetzlichen Gewinnbeteiligung („Participation“) unterliegen, eine ähnliche Regelung eingeführt wird. So müssen diese Unternehmen ab dem 1. Januar 2024, soweit sie seit drei Jahren fortlaufend ein Steuerergebnis von mindestens 1% ihres Umsatzes erzielt haben, eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmensgewinn vorsehen. Diese Verpflichtung ist zunächst auf die Dauer von fünf Jahren beschränkt.

Nach einer Schätzung des Arbeitsministeriums erfüllen aus heutiger Sicht von den 130.000 bestehenden französischen Unternehmen mit einer Beschäftigungszahl zwischen 11 und 49 Personen die Hälfte die obigen Kriterien. Damit könnten 1,5 Mio. Personen, die in den 65.000 Unternehmen arbeiten, in den Genuss einer zusätzlichen Geldzahlung kommen.

Des Weiteren möchte das Gesetz erreichen, dass in Zukunft der außerordentliche Teil des Unternehmensgewinns („Superprofit“) bei der Verteilung an die Belegschaft besser berücksichtigt wird und dies beim Abschluss der Participations-/Intéressementvereinbarung einen entsprechenden Niederschlag findet.

Ein anderer Vorschlag des Gesetzes zielt auf die Beteiligung der Mitarbeiter an einer zukünftigen Erhöhung des Unternehmenswertes ab. Hierzu sollen die Unternehmen auf freiwilliger Basis einen Plan vorlegen, wie für einen Zeitraum von drei Jahren der eventuelle Anstieg des Unternehmenswertes zu ermitteln ist und wie die Belegschaft hieran beteiligt werden kann. Eine auf dieser Grundlage an die Mitarbeiter ausgeschüttete Prämie soll deren Interesse am Wachstum des Unternehmens fördern und deren Firmentreue belohnen.

Und schließlich möchte das Gesetz die Erhöhung der Mitarbeiterbeteiligung am Gesellschaftskapital des Unternehmens weiter bis zur Erreichung von 10% fördern, eine von Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire bereits in 2019 erklärte Zielgröße. Bei den 40 größten Börsenunternehmen (CAC40) werden Ende 2022 3,6% des Kapitals von deren Mitarbeitern gehalten, wobei der internationale Bau- und Telekommunikationskonzern Bouygues mit 21,3% Spitzenreiter ist.

Ein sehr weitgehendes, sehr ehrgeiziges Gesetz, das auf einem ehrlichen, vertrauensvollen, aber auch wirtschaftlich begründeten Dialog zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft aufbaut. Es funktioniert aber nur, wenn Wachstum und Ergebnisse erwirtschaftet werden und die Unternehmen mitmachen.

Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre.

Die nächste DiagnosticNews-Ausgabe erscheint wieder im September, haben Sie bis dahin eine schöne Sommerzeit

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