Verantwortung des Auftraggebers gegenüber Subunternehmern in Frankreich: Allgemeine Regeln und neue Klarstellung der Cour de cassation

Hintergrund: Solidarische Haftung im französischen Arbeitsrecht
In Frankreich unterliegt der Auftraggeber (donneur d’ordre / maître d’ouvrage – im weiteren Sinne, es sind alle Dienstleistungen mit einem Betrag von mindestens 5.000 Euro ohne Steuern betroffen) einer besonderen Obligation de vigilance. Diese verpflichtet ihn, sicherzustellen, dass seine Subunternehmer bestimmte arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften einhalten.
Zentrale Pflichten des Auftraggebers
Beauftragt ein Unternehmen einen Subunternehmer, muss es unter anderem überprüfen, ob dieser:
- korrekt im Handels- und Unternehmensregister eingetragen ist,
- seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Sozialabgaben nachkommt,
- keine Schwarzarbeit („travail dissimulé“) betreibt,
- die arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu Mindestlohn, Arbeitszeit, Gesundheit und Sicherheit beachtet.
Folgen bei Pflichtverletzung
Unterlässt der Auftraggeber diese Prüfungen, kann er solidarisch haftbar gemacht werden. Konkret bedeutet das:
- Haftung für nicht gezahlte Löhne und Sozialabgaben,
- Rückzahlung von unrechtmäßig gewährten Sozialabgabenbefreiungen,
- Übernahme von Strafen und Verzugszinsen.
Diese Regelung soll verhindern, dass Unternehmen über Subunternehmerketten Kosten sparen, indem sie Vorschriften missachten.

Neue Rechtsprechung: Einschränkung der Pflicht zur Kontrolle bei Kettensubunternehmern
Entscheidung der Cour de cassation (Cass. 2e civ. 4-9-2025, no 23-14.121 F-B)
Mit Entscheidung vom 4. September 2025 hat die Cour de cassation erstmals klargestellt:
Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, Subunternehmer seines Vertragspartners im Rahmen der Obligation de vigilance zu kontrollieren, da keine direkte vertragliche Beziehung besteht.
Juristische Begründung
- Nach Artikel L 8222-1 des Code du travail gilt die Obligation de vigilance nur für direkte Vertragspartner.
- Artikel 1199 des Code civil bestimmt zudem, dass Verträge nur zwischen den Vertragsparteien wirken.
- Konsequenz: Der Auftraggeber haftet nicht solidarisch für Pflichtverletzungen von Subunternehmern, die ausschließlich durch seinen Vertragspartner beauftragt wurden.
Praktische Konsequenzen
- Pflichten bleiben im Verhältnis zum direkten Subunternehmer bestehen.
- Keine Haftung für Subunternehmer „zweiter Ebene“, sofern diese nicht ausdrücklich in den Vertrag einbezogen wurden.
- Mehr Rechtssicherheit für Unternehmen, die in Frankreich mit komplexen Subunternehmerketten arbeiten.

Was bedeutet das für deutsche Unternehmen in Frankreich?
Für deutsche Firmen mit Niederlassungen oder Projekten in Frankreich bedeutet die Entscheidung eine spürbare Entlastung bei der Risikoeinschätzung. Dennoch sollten sie:
- weiterhin sorgfältig die Pflichten gegenüber direkten Vertragspartnern erfüllen,
- ihre internen Compliance-Prozesse regelmäßig überprüfen,
- sich bei Unsicherheiten rechtlich beraten lassen.
Die Coffra group begleitet deutsche Unternehmen in Frankreich seit vielen Jahren bei allen Fragen des französischen Arbeits- und Sozialrechts. Weitere Informationen zu unseren Dienstleistungen finden Sie hier: Unsere Leistungen im Arbeitsrecht

Fazit
Die Entscheidung der Cour de cassation vom 4. September 2025 bringt eine wichtige Klarstellung:
- Auftraggeber haften nur für ihre direkten Vertragspartner.
- Eine Pflicht zur Kontrolle von Subunternehmern des Vertragspartners besteht nicht.
Für deutsche Unternehmen in Frankreich bedeutet dies weniger Haftungsrisiken, gleichzeitig bleibt aber die sorgfältige Kontrolle direkter Subunternehmer weiterhin unverzichtbar.
Dieser Artikel dient ausschließlich allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Er kann eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Vor jeder Entscheidung sollten Sie die Meinung eines qualifizierten Experten einholen. Eine Haftung der Coffra group ist ausgeschlossen.