Partner, Avocat au Barreau de Paris
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Arbeitgeber in Frankreich sind gesetzlich verpflichtet, die physische und psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen. Diese sogenannte „obligation de sécurité“ umfasst auch den Schutz vor Mobbing (harcèlement moral) und sexueller Belästigung (harcèlement sexuel).
Das französische Arbeitsgesetzbuch (Code du travail, Art. L. 1152-1 ff. und L. 1153-1 ff.) schreibt zwar nicht ausdrücklich vor, dass bei einem Mobbing- oder Belästigungsvorwurf eine interne Untersuchung durchgeführt werden muss.
Die jüngste Rechtsprechung zeigt jedoch, dass eine unzureichend dokumentierte oder unvollständige Untersuchung erhebliche Risiken für den Arbeitgeber birgt.
Der Fall
Im Fall Cass. soc. 18-6-2025, n° 23-19.022 FS-B, Sté Publicis Sapient France c. M, war ein leitender Angestellter nach Beschwerden mehrerer Mitarbeiterinnen wegen sexistisch gefärbter Äußerungen entlassen worden.
Das Unternehmen hatte daraufhin eine interne Untersuchung durch die Personalabteilung und den damaligen „CHSCT“ („Comité d’hygiène, de sécurité et des conditions de travail“) durchgeführt.
Das Problem: Der Untersuchungsbericht war unvollständig – mehrere Zeugenaussagen waren geschwärzt oder fehlten ganz. Zudem wurde die Identität einiger Zeugen entfernt, ohne ausreichende Begründung.
Die Entscheidung
Das Berufungsgericht hatte den Kündigungsgrund verworfen, da der Untersuchungsbericht nicht ausreichend aussagekräftig war. Der Zweifel müsse dem Arbeitnehmer zugutekommen (Art. L. 1235-1 Code du travail).
Die Cour de cassation bestätigte das Urteil des Berufungsgerichts und betonte, dass die Gerichte erster und zweiter Instanz souverän über die Beweiskraft einer internen Untersuchung entscheiden.
Dies bedeutet: Eine interne Untersuchung kann ein Beweismittel sein – aber nur, wenn sie vollständig, objektiv und nachvollziehbar dokumentiert ist.
1. Interne Untersuchung ist nicht zwingend, aber dringend empfohlen
Zwar bleibt das Fehlen einer Untersuchung laut eine früheren Entscheidung (Cass. soc. 12-6-2024, n° 23-13.975) kein automatischer Verstoß gegen die Fürsorgepflicht,
doch die Entscheidung vom 18. Juni 2025 verdeutlicht: Eine unvollständige oder parteiische Untersuchung kann gegen den Arbeitgeber verwendet werden.
Arbeitgeber sollten daher – auch präventiv – eine strukturierte, dokumentierte und unparteiische Vorgehensweise sicherstellen.
2. Anforderungen an eine rechtssichere Untersuchung
3. Konsequenzen bei Verfahrensfehlern
Wird ein Mitarbeiter auf Grundlage eines nicht stichhaltigen Untersuchungsberichts entlassen, kann das Gericht den Kündigungsgrund verwerfen.
In der Folge drohen dem Arbeitgeber Zahlung von erheblichem Schadenersatz, Reputationsschäden und Vertrauensverlust.
Gerade deutsche Unternehmen mit Niederlassungen in Frankreich sollten ihre Verfahren an die französische Rechtsprechung anpassen:
Die Entscheidung Publicis Sapient France (Cass. soc. 18 Juni 2025) verdeutlicht, dass eine unvollständige interne Untersuchung nicht als Beweis für Mobbing / sexuelle Belästigung oder Fehlverhalten gilt.
Der Zweifel geht zu Lasten des Arbeitgebers, wenn dieser die Vorwürfe nicht ausreichend belegt.
Unternehmen sollten daher jede Untersuchung methodisch, neutral und lückenlos durchführen.
Eine gut vorbereitete interne Untersuchung ist nicht nur rechtlich geboten, sondern stärkt auch das Vertrauen der Mitarbeitenden.
Als deutsch-französisches Beratungsunternehmen mit erfahrenen Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern begleitet die Coffra group deutsche Unternehmen bei allen arbeitsrechtlichen Fragen in Frankreich.
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