Avocat au Barreau de Paris
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27 Oktober 2025
Die jüngste Entscheidung des Berufungsgerichts von Versailles („Cour d’appel de Versailles“) vom 15. Juli 2025 (n° 24/02414, SARL GDA Services c/ SASU GDA Location) bestätigt und präzisiert erneut die Befugnisse und Grenzen des Insolvenzverwalters („liquidateur judiciaire“) in Frankreich.
Das Urteil stellt klar: Auch wenn das Unternehmen im Rahmen einer Liquidation judiciaire grundsätzlich seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse entzogen ist, kann es unter bestimmten rechtlich anerkannten Umständen Rechtsmittel einlegen, wenn die Interessen des Unternehmens selbst – und nicht nur die der Gläubigergesamtheit – unmittelbar betroffen sind.
Der Insolvenzverwalter einer Gesellschaft hatte – mit Genehmigung des juge-commissaire – eine Vergleichsvereinbarung („transaction“) mit einer anderen Gesellschaft abgeschlossen. Diese sah die Zahlung von 200.000 € an den Insolvenzverwalter vor, im Gegenzug für den Verzicht auf eine Klage zur Erweiterung des Insolvenzverfahrens auf diese zweite Gesellschaft („action en extension“).
Das in Liquidation befindliche Unternehmen focht die Entscheidung des juge-commissaire, der die Transaktion genehmigt hatte, an.
Der Insolvenzverwalter argumentierte, der Einspruch sei unzulässig, da das Unternehmen aufgrund des „dessaisissement“ (Verlust der Verfügungsbefugnis über das eigene Vermögen) keine eigene Klagebefugnis mehr habe.
Die Richter des Berufungsgerichts von Versailles wiesen dieses Argument jedoch zurück:
Sie entschieden, dass die Gesellschaft ein eigenes Beschwerderecht besitzt, da die Vergleichsvereinbarung nicht nur den Einzug einer Forderung betrifft, sondern den Verzicht auf eine Erweiterung des Insolvenzverfahrens und damit den Umfang der Insolvenzmasse und des Verfahrens selbst beeinflusst.
Gemäß Artikel L.641-9 des französischen Handelsgesetzbuchs (Code de commerce) verliert ein Unternehmen in der Liquidation judiciaire grundsätzlich die Verfügung über sein Vermögen.
Der Insolvenzverwalter übt fortan die entsprechenden Rechte und Pflichten aus – insbesondere in Bezug auf:
Diese umfassende Kompetenz dient dem Ziel, die Liquidation effizient und im Interesse der Gläubiger abzuwickeln.
Allerdings erkennt die Rechtsprechung dem Unternehmen weiterhin sogenannte „droits propres“ (eigene Rechte) zu.
Dazu gehören Handlungen, die nicht unmittelbar den Forderungseinzug, sondern die Struktur oder den Bestand der Insolvenzmasse selbst betreffen – etwa:
Das Berufungsgericht von Versailles stellte klar, dass die Zulässigkeit des Rechtsmittels allein vom Gegenstand der Vergleichsvereinbarung abhängt:
Damit folgt das Gericht einer differenzierten Linie, die bereits von der Cour de cassation in mehreren Entscheidungen bestätigt wurde (u.a. Cass. com., 24. Jan. 2018, 27. Sept. 2016, 9. Okt. 2019).
Diese Auslegung deckt sich mit Artikel L. 621-2 Abs. 2 und L. 661-& I 3° Code de commerce, wonach Entscheidungen über eine Verfahrensausweitung nicht ausschließlich dem Insolvenzverwalter vorbehalten sind.
Diese Rechtsprechung erinnert daran, dass die Rolle des Insolvenzverwalters nicht absolut ist.
Unternehmen in gerichtlicher Liquidation können weiterhin unter genau bestimmten Voraussetzungen aktiv an bestimmten Phasen der Verfahren teilnehmen, insbesondere wenn eigenen Rechte betroffen sind.
Für Insolvenzverwalter bedeutet das:
Die Entscheidung des Berufungsgericht von Versailles stärkt die Rechtssicherheit und verdeutlicht die feine Balance zwischen den Befugnissen des Liquidators und den Rechten des Unternehmens.
Sie bestätigt, dass ein Unternehmen auch während der Liquidation den Rechtsmittel einlegen kann, wenn eine Vergleichsvereinbarung den Umfang der Insolvenzmasse – etwa durch den Verzichts auf eine Verfahrensausweitung – betrifft.
Für deutsche Unternehmen mit französischen Tochtergesellschaften in Schwierigkeiten zeigt sie, wie wichtig eine präzise Kenntnis der französischen Insolvenzordnung und eine kompetente rechtliche Begleitung sind.
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